Nachdem ich im Sommer 2020 meine PPL im FSCA erworben hatte, sammelte ich die ersten Stunden und Erfahrungen. Schnell wurde mir klar, dass für mich der eigentlich Reiz in größeren Streckenflügen, auch ins Ausland, lag. Von Dirk Schwabe, meinem Fluglehrer, erfuhr ich, dass eine kleine Gruppe von Piloten in Egelsbach (Dirk ist Lehrer beim FSCA, aber auch in Egelsbach) in Richtung Mittelmeer aufbrechen wolle. Ich musste keine Sekunde überlegen und sagte meine Teilnahme zu.

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Unsere gemeinsame Flugroute

Jeder fuhr nach unserem Treffen nach Hause mit einer Route im Kopf, die es in sich hatte: Wir wollten das westliche Mittelmeer umrunden. Vielleicht nicht ganz, aber einen beträchtlichen Teil. Schnell wurden Fragen aufgeworfen: „lange Strecken über das Meer – geht das denn, was benötigen wir dafür, wo bekommen wir das notwendige Equipment her, welche Maschinen können wir wie lange bekommen … usw.“

Nach weiteren abendlichen Treffen und vielen Messenger Texten waren wir eine Gruppe von sechs Piloten mit drei Flugzeugen, zwei 172er und eine Piper Arrow.

Aufgaben wurden verteilt, wer organsiert Schwimmwesten, wer Rettungsinseln, benötigen wir einen Notsender, wo übernachten wir, welche Karten benötigen wir und wer organsiert sie, welches Werkzeug sollten wir dabei haben … und vieles mehr, was eine solche Tour mit sich bringt. Unsere Idee nahm Gestalt an. Wir wollten von Egelsbach aus nach Südfrankreich, weiter nach Spanien und von dort die kürzeste Flugstrecke nach Mallorca wählen. Ab da sollte es in einem Tag über Sardinien nach Palermo gehen. Palermo sollte das südlichste Ziel unsere Reise sein, der Heimweg war über Kroatien geplant.

Monate der Vorbereitungen vergingen. Flugzeuge gingen kaputt, Ersatz musste organisiert werden, die Rettungsinseln und Notsender kamen am letzten Tag vor Abreise – es blieb spannend bis zum Abflug.

Da wir von unterschiedlichen Flugplätzen starteten, vereinbarten wir Freiburg als Treffpunkt der Crews. Hier wollten wir entscheiden, ob die Tour am Mont Blanc entlang oder direkt über den Genfer See nach Chambery führen sollte. Während die zwei 172er von Egelsbach bei strahlendem Sonnenschein starteten, war die Piper, bedingt durch Bodennebel, noch ein Stündchen länger in Reichelsheim am Boden, bevor es endlich losgehen konnte. Für den großen Teil der Crew war es das erste große Flugabenteuer, um so größer waren die Vorfreude und die Anspannung.

In Freiburg wurde die Route um den Mont Blanc beschlossen. Das Wetter war nicht eindeutig, aber man wollte es probieren. Letztendlich drehte eine Crew über dem VOR „Willisau“ ab und steuerte direkt Chambery Aix Les Bains (LFLB) an, die zweite erreichte die Höhe nicht, und die dritte landete mit tollen Fotos vom Mont Blanc, allerdings ohne Gipfel, denn der versteckte sich in den Wolken.

Im Aeroclub Chambery bekamen wir Kuchen und Kaffee und berichteten aufgeregt von unserer ersten Erfahrung. Sofort studierten wir Wetter, Strecken und Möglichkeiten, wie wir heute noch Perpignan erreichen könnten. Das erwies sich als nicht ganz einfach, und viele Worte können die vielen Versuche nicht beschreiben, VFR nach Perpignan zu kommen. Aber das Ziel wurde nicht erreicht – zu viele Wolken, zu schlechtes Wetter für VFR-Flieger. Über eine zuvor festgelegte Air to Air Frequenz vereinbarten wir zu guter Letzt ein Alternate, welches für alle gut zu erreichen war: Aurillac in den Ausläufern des Massive Central. Der Flughafen war unbesetzt, aber in Frankreich bedeutet das nur, dass man mit Hilfe von „blind messages“ die genaue Position im Anflug angibt und trotzdem sicher landen kann. So einfach kann es sein.

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Die erste Etappe ist geschafft: Abend in Aurillac

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Torredembarra – kurz vor Tarragona

Nach einem guten Abendessen und einer erholsamen Nacht galt es am nächsten Tag Avgas zu besorgen. Im Übrigen ein Thema, was einen Piloten auf einer solchen Tour dauerhaft begleitet: Wo bekomme ich Avgas her, und bei teilweise 4€ pro Liter ein Thema, welches das Budget deutlich belastet.

Nach vielen Telefonaten und freundlicher Hilfe wurde der Tankwart des Aeroclub gefunden, und der war auch bereit, uns die nötige Menge zu verkaufen.

Zwei Stunden später landeten wir in Perpignan zum Tankstopp, dann ging es bei teilweise diesigem, aber freundlichem Wetter über die Ausläufer der Pyrenäen an der Kontrollzone von Barcelona vorbei nach Castellon (LECN). Die letzten Meilen über dem Meer mit einer grandiosen Aussicht auf die Küste.

Man könnte jetzt noch viel über Streckenabschnitte, Wetter, Flughäfen und Benzinpreise schreiben. Viele Daten, viele Kürzel, aber ein Reise wird nicht interessant durch organisatorische, fliegerische Details, sondern durch Emotionen, die geweckt werden. Herausforderungen, denen man sich stellt und die bewältigt werden müssen.

Der „kurze“ Sprung von Castellon nach Palma-Son Bonet auf Mallorca sorgte schon für ein Kribbeln im Bauch. Eine viel größere Herausforderung war der für den nächsten Tag angesetzte lange Flug von Mallorca über Sardinien nach Palermo. Die Herausforderung war zum einen das genaue Berechnen des Verbrauchs und der Endurance, wann ist der „Point of no Return“ erreicht, wie verhalten wir uns, wenn eine Maschine in Schwierigkeiten gerät, was passiert im Notfall. Viele und lange Diskussionen, viele Berechnungen, viele Zweifel, aber auch Abenteuerlust in den Augen der Freunde. Letztendlich waren die Tatsachen geklärt. Ein Tankstopp auf Menorca sollte alle Zweifel beseitigen. Das ist die eine Herausforderung, die andere ist die mentale: Mit einer Einmot zwei bis drei Stunden über das offene Meer. Ist das Risiko kalkulierbar? Weiß der Motor, dass wir über dem Meer fliegen und das eine Notwasserung bei Maschinenproblemen der letzte Ausweg wäre? Wie schwimmt und sinken ein Hochdecker und ein Tiefdecker nach einer Notwasserung? Was geht in unseren Köpfen vor, und wie unterschiedlich sind die Einschätzungen der Risiken. Es war ein anstrengender Abend auf Malle, der die gesamte Crew in zwei Lager spaltete, aber letztendlich dazu führte, dass man die geplante Route umsetzten wollte. Am nächsten Morgen wurden an der Tankstelle Kanister gekauft und betankt, die Flugzeuge nochmal eingehend begutachtet und gecheckt, und los ging es nach Menorca. Die einen mit der Abenteuerlust in den Augen, die anderen vielleicht mit dem ein oder anderen leichten Zucken in der Magengegend. In Menorca angekommen, betankten wir die 172er mit dem mitgebrachten Treibstoff aus den Kanistern bis kein Fingerhut Luft mehr in den Tanks Platz hatte. Noch ein letztes Händeschütteln, noch ein Lachen und ein „guten Flug“ an die Freunde, und wir rollten auf.

Wundervoll blau lag das Meer unter uns und jeder genoss den Flug in vollen Zügen. Wir stiegen langsam auf 8000 Fuss, um im Notfall mehr Zeit zum Gleiten und Vorbereiten einer Notwasserung zu haben. Der Copilot hatte das Rettungsboot zwischen den Beinen, die Schwimmwesten waren angelegt. Trinkwasser, ein zweites Funkgerät, eine Decke, Messer, Taschenlampe und Notfallsender waren in einem wasserfesten Sack auf der Rückbank deponiert. Die anderen Crews konnten wir im Funk verfolgen, was eine gewisse Sicherheit vermittelt. Wir hatten GPS Punkte ausgemacht, die wir uns gegenseitig bei Erreichen durchgeben wollten und die uns die Sicherheit gab, im Notfall zu wissen, auf welcher Route geflogen wurde. Wer der Meinung ist, dass das Mittelmeer dicht mit Schiffen befahren ist, wird bei einem solchen Flug eines Besseren belehrt: Wir haben vielleicht auf der gesamten Route nach Cagliari zwei oder drei Schiffe gesichtet. Zu wenige, um mit der Annahme zu spielen, dass man im Notfall dadurch Hilfe bekommen könnte.

BLAU!

Der Flug verlief ruhig und reibungslos. Eine gewisse Zeit mussten wir auf FIS verzichten, da wir außerhalb der Reichweite waren. Mit jeder Meile weiter auf dem Meer stellte sich bei uns eine Ruhe ein. Die Anspannung fiel ab, und wir konnten uns an dem endlosen Blau des Meeres, welches am Horizont in den Himmel überging, nicht sattsehen. Dazwischen strahlend weiße Wolkengebilde. Wie schön das doch alles ist und wie unendlich groß und erhaben. Wie klein dagegen unser Flugzeug am endlosen Himmel… . Solche Momente kann man genießen.

Nach einem Tankstopp in Cagliari, der einem beim Zücken der Kreditkarte die Tränen in die Augen trieb, geht es sofort weiter nach Palermo. Dasselbe wieder, endloser Himmel, weites Meer, schneeweiße Wolken dazwischen. Auch hier immer wieder Zeit zum Träumen, allerdings auch immer mit einem Auge auf allen Maschineninstrumenten …. Wunderbares Wetter – bis der Controller vom Palermo FIS uns unsanft in die Wirklichkeit zurückholt:
„Bad weather condition, IMC above 1400 ft near Palermo”! “Please follow the coastline to Bocca di Falco” die direkte Anweisung des sehr nervösen Controllers. Aus 8000 Fuss kommend stürzen wir unsere Maschine auf 900 Fuss runter und befolgen angespannt die Anweisungen unseres Controllers. Es wabern dichte Wolkenfelder in den Tälern und mehr als die Küstenlinie ist oft nicht zu sehen, aber wir fliegen dicht über dem Meer die Küste Siziliens entlang, bekommen die Freigabe, den Internationalen Flughafen zu queren und direkt über Palermo Stadt den Flughafen anzufliegen. Kurz bevor der Regen einsetzt und alles in Wolken verschwindet, setzten wir mit unserem Flugzeug sicher auf der Piste auf und werden vom Aeroclub Palermo Bocca di Falco empfangen. Wir steigen aus, ein leichter Nieselregen setzt ein, aber der ist uns jetzt egal. Wir sind erschöpft, aber glücklich und fallen uns in die Arme. Der südlichste Punkt unserer Reise ist erreicht, und wir haben das geschafft, was wir uns vorgenommen haben. Ein bisschen, ein ganz kleines bisschen sind wir auch stolz auf uns …

Im Anflug auf Palermo – und Selfie nach der Landung: Sascha und Dirk vor ihrem Flugzeug, der C 172 D-ECHE von Dirk

Die Fahrt zum Hotel in der Altstadt ist ausgelassen, wir freuen uns auf ein verdientes gutes Abendessen in den engen Gassen der Altstadt Palermos, einmal Ausschlafen und einen Tag Pause.

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Über dem aktiven Stromboli

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Im Anflug auf Elba

Bis Sizilien lief alles so, wie wir es geplant hatten. Das Wetter spielte „fast“ immer mit und der Wettergott war auf unserer Seite. Den Ätna hat er uns verweigert, dafür den Stromboli für kurze Zeit der Sicht preisgegen. Was für ein grandioser Anblick. Über die Liparischen Inseln führt uns die Route nach Scalea (LICK) an der Westküste Italiens südlich von Neapel. Die einzige Möglichkeit weit und breit, Avgas zu bekommen. Dort gelandet checken wir wieder das Wetter … damit scheidet Dubrovik als unser nächstes Tagesziel aus – TSRA und damit für uns nicht fliegbar. Nach kurzem Studium der Karte ist unsere Wahl getroffen, wir fliegen nach Elba. Eine gute Wahl, denn der Flug führt uns an Capri und Ischia vorbei. Als hätte ein Riese Steinbrocken ins Meer geworfen, so liegen die Inseln im Sonnenschein unter uns. Man kann nur schwer den Blick abwenden, so schön sieht es aus. Der Flug ist angenehm, aber auch lange, und belohnt werden wir durch einen grandiosen Anflug auf Elbas Flughafen direkt über eine herrliche Bucht. Nach der Landung noch etwas Paperwork, und dann erstmal ein wohlverdientes kaltes „Birra Moretti“.

Unser Trip neigt sich dem Ende zu. In den letzten Tagen ist man als Crew auch zusammen-gewachsen, einiges wird zur Routine, die uns noch bevorstehende Strecke über die Toskana nach Portoroz (LJPZ) in Slowenien erscheint uns fast als Katzensprung.

In Slowenien verbringen wir noch einen schönen Abend zusammen, und am nächsten Morgen trennen sich unsere Wege. Die etwas unerfahrenere Crew entscheidet sich für den einfachen Weg über die Alpen via Brenner, die beiden C172er nehmen den direkten Weg durch die Alpen, vorbei an St. Johann (LOIJ).

Eine Reise geht zu Ende, aber eigentlich hat für uns alle hier erst die Reise begonnen. Kaum die heimische Landebahn erreicht, gibt es schon neue Ideen, wohin uns der Wind noch tragen könnte….

(Text: Frank Mucke, Sascha Mämecke; Bilder: Sascha Mämecke)

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