Bevor Segelflugschüler ihre Ausbildung mit der praktischen Prüfung abschließen können, müssen sie unter anderem einen Flug über eine Strecke von 50 km ohne Fluglehrer (oder 100 km mit Fluglehrer) absolvieren. Florian Moos berichtet über dieses wichtige Ereignis in seinem Fliegerleben.
Nach vielen Hindernissen, sei es Corona, der Ausfall des alten Astir, oder auch meine Prüfungsphase, ist es mir endlich gelungen, meinen 50-km-Überlandflug im Segelflieger durchzuführen. Ich hatte schon mehrfach Fluglehrer an teils fragwürdigen Tagen gefragt, ob ich meinen Überlandflug nicht doch machen kann, jedoch wurde das immer abgelehnt was wahrscheinlich auch besser war. Am Sonntag, dem 16. August 2020, war es dann so weit. Die LS 4 war da, ich war eingewiesen, und das Wetter spielte auch mit. Anfangs noch mit schwacher Thermik, die sich dann aber im weiteren Verlauf des Fluges als wesentlich stärker herausstellte. Strittig war dann noch kurz die Flugroute. So war ausgemacht, dass aus Gründen der Sportlichkeit 100 anstatt der vorgeschriebenen 50 km geflogen werden. Auch das sollte mit der LS 4 kein Problem darstellen, so kommt man wenigstens auch mal aus dem Gleitbereich des Heimatplatzes raus. Der Plan: Einmal Walldürn (und ein bisschen drüber hinaus) und zurück. Das sollten genau 100 km sein. Auf der Karte eingezeichnet, den korrigierten Steuerkurs berechnet, das Wetter noch mal genauer angeschaut, Ausweichflugplätze (und deren Frequenzen) aufgeschrieben. Zum Glück Südwind, und das nicht zu schwach, mit bis zu 15 kt. Das heißt sobald ich in Walldürn bin, komm ich praktisch sicher wieder nach Hause. Noch die Freigaben für die Sektoren im Frankfurter Luftraum aufgeschrieben: Nord, Ost und Süd mit FL 65 und W mit 5500 ft. Ein Traum, allerdings lag die Wolkenbasis noch weit darunter. Nach einem sehr guten Schlepp klinkte ich wie vorher vereinbart knapp unter 3000 ft aus und hing mich unter die erste Wolke. Ich entschied mich während des Steigens, den Abflug leicht östlich am Spessart entlang zu machen, weil dort die Wolken etwas besser aussahen und die Basis gefühlt über dem Odenwald niedriger war. Ungefähr auf der Höhe von Klingenberg stand ich vor der Wahl: östlich ins blaue Loch, oder westlich ins Blaue? Die Wolkenstraße führte genau durch Mainbullau durch. Ich entschied mich über einige Flusen links herum zu gehen. Das habe ich aber doch sehr schnell bereut, weil es stark abwärts ging. Ich wusste aus der Überlandeinweisung um die Außenlandemöglichkeiten in der Gegend schon einigermaßen Bescheid. Entweder vor dem Main oder danach. Aber den Gedanken habe ich schnell wieder verworfen. Es galt Thermik zu finden. Die Orientierung an den Wolken war schwierig, also wendete ich den Blick nach unten. Westlich von Neunkirchen pflügte ein Bauer sein Feld und es schien so, als stehe da eine Staubfahne. Bei südwestlichem Wind sollte das zur Not reichen, mich nach Mainbullau zu tragen. Ich schaute auf den Distanzrechner: 23 km nach Hause. Nicht mal die Hälfte von dem, was gefordert ist. Das konnte nicht sein, und ich wollte auch nicht meinen Rückholer aus seiner Wohnung rausjagen müssen. Was waren meine Optionen? Weiter im Nullschieber bleiben und hoffen, dass er besser wird? Außenlanden? Oder etwas Besseres suchen?
Ich konnte vom Boden keine Anzeichen für Thermik finden, also ging der Blick nach oben: Circa 2 km weiter kreisten zwei Greifvögel. Und die stiegen! Also dorthin! Und auf einmal ging es mit im 1,5 m/s nach oben. Aber durch den Wind wurde ich immer mehr auf die Sprungzone von Mainbullau zugetrieben. Ich entschied mich, abzufliegen weiter Richtung Süden. Dort fand ich einen Bart, der stimmte allerdings so gar nicht damit überein, wie es beim Einfliegen in den Bart runtergegangen war. Ich erinnerte mich an die Lektüre, die Axel eine Woche vorher online gestellt hat: In einem Aufwind gibt es unterschiedliche Aufwindzonen mit unterschiedlich starken Aufwinden. Also meine Kreise weiter verlagert und da stand der Bart des Tages! Mit im Schnitt 2,7 m/s trug es mich bis auf 5500 Fuß. Damit waren die 50 km sicher! Was für eine Erleichterung.
Dann an Walldürn vorbei und den nächsten Aufwind genutzt. Gewendet und wieder zurück. Beim Endanflug nach Großostheim habe ich die Leistung der LS 4 total unterschätzt! So war ich weit über Gleitpfad und konnte mit 160 bis 180 km/h Aschaffenburg entgegenfliegen. Ich nahm die Geschwindigkeit zurück, um mich wieder an die Landegeschwindigkeit zu gewöhnen. Fahrwerk raus, Landechecks, Wind bedenken, Platzrunde fliegen und Touchdown nach 96 Minuten. Ab dem Moment, als ich die Haube geöffnet hatte, habe ich das Grinsen für den Tag nicht mehr aus dem Gesicht bekommen! Ein überwältigendes Gefühl! Hoffentlich folgen nächstes Jahr viele weitere Flüge mit vielen weiteren großartigen Erlebnissen.
Danke an alle Fluglehrer, die mich dahin gebracht haben, besonderer Dank an Axel und Alex für die hilfreichen Hinweise zum Streckensegelflug, an Georg, der mir den schriftlichen Flugauftrag erteilt hat, an Stephan für den super Schlepp und an meinen Rückholer Tobi, den ich zum Glück nicht rausrufen musste ?.
Nachtrag: Florian hat am 3. Oktober 2020 seine praktische Prüfung zur SPL bestanden. Glückwunsch!
Für Piloten – bitte beachten: Neue Infos vom TWR!
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